Die frisch gewählten Mitglieder der Gemeindevertretung hatten am 3.7.2024 während der konstituierenden Sitzung der Gemeindevertretung die Bestätigung der Hauptsatzung der Gemeinde Schwielowsee sowie der Geschäftsordnung der Gemeindevertretung auf der Tagesordnung. Über diesen beiden zentralen Regelwerken der Gemeinde steht die Kommunalverfassung des Landes Brandenburgs (BbgKVerf), die erst kurz vor der Kommunalwahl im März 2024 vom Landtag erneuert worden war. Die erneuerte Kommunalverfassung zog in einigen Punkten Anpassungen auf Gemeindeebene nach sich. Z.B. können sich Mitglieder der Gemeindevertretung neuerdings in begründeten Fällen auch online an Gremiensitzungen beteiligen, vorausgesetzt die Gemeinde verfügt über eine entsprechende technische Ausstattung. Das ist in Schwielowsee noch nicht so. Kann ja noch werden.

Die Frage im Mittelpunkt dieses Beitrags, wann und wie sich Bürger in den Gemeindegremien beteiligen können, wird in allen drei oben genannten Regelwerken angesprochen. Der Überblick über ist daher nicht ganz einfach. Aber die Hierarchie ist klar: was die Kommunalverfassung vorschreibt ist gesetzt. Alles andere kann die die Gemeindevertretung selbst regeln. 

Und weil man sich aus Anlass der konstituierenden Sitzung ohnehin mit den Regelwerken befassen musste, hatte die Verwaltung in Abstimmung mit einigen bisherigen Gemeindevertretern vorgeschlagen, dass Einwohner bei öffentlichen Sitzungen in der maximal 30-minütigen sogenannten Einwohnerfragestunde nicht mehr die Möglichkeit haben sollen, Fragen zu allgemeinen Angelegenheiten der Gemeinde zu stellen. Es sollten nur noch Fragen zu Beratungsgegenständen der Tagesordnung der jeweiligen Sitzung möglich sein.

Es entspann sich also am 3.7.2024 eine heftige Kontroverse über Sinn und Zweck dieser Einschränkung. Mitglieder der BBS Fraktion von FDP und CDU führten aus, dass es eine Fülle anderer Angebote und Gesprächskanäle gäbe, die die Bürgerschaft für Anfragen allgemeiner Art nutzen könne, z.B.

  • Allgemeine Bürgeranfragen können jederzeit direkt an die Bürgermeisterin oder den Fachbereich gestellt werden.
  • Schadensmeldung und Hinweise ans Ordnungsamt könnten jederzeit eingereicht werden. Dafür steht auch mit dem Bürgerservice MAERKER eine elektronische Plattform zur Verfügung.
  • In den Ortsteilen gäbe es Bürgersprechstunden.
  • Bürger können bei der Gemeinde eine Einwohnerversammlung beantragen, wenn mindesten 5% der Einwohner einen solchen Antrag unterschreiben.
  • Ohne jede Voraussetzung kann die Bürgerschaft Petitionen zu ihnen wichtigen Themen starten und dafür Unterschriften sammeln

Für allgemeine Angelegenheiten sollen also die knappen Beratungszeiten der Gemeindeversammlungen, der Ausschüsse und der Ortsbeiräte nicht mehr verwendet werden. „Die früheren Gemeinvertreter waren der Meinung, wir müssen aufpassen, dass die GV im Rahmen bleibt. Um 23 Uhr soll spätestens Schluss sein!“ ergänzte Bürgermeisterin Hoppe.

Letztlich fand sich bei dieser Auseinandersetzung zwischen den Fraktionen ein Kompromiss: Anfragen, die sich auf Punkte der Tagesordnung beziehen werden in Zukunft vorrangig behandelt. Sollte damit der Zeitrahmen nicht ausgeschöpft werden, können anschließend dann noch allgemeine Anfragen gestellt werden. Ob es dazu angesichts von maximal 30 Minuten für die Einwohnerfragestunde – also eigentlich eine Einwohnerfragehalbestunde – tatsächlich noch kommt? Die Praxis wir es erweisen. Dieser Kompromiss wurde mit großer Mehrheit angenommen, war er doch immer noch besser, als allgemeine Fragen komplett auszuschließen. Siehe die Neuregelung in der Hauptsatzung § 3, Absatz 7 und in der Geschäftsordnung § 4 Absatz 2.

Mit gegenteiliger Intention hatten die neu gewählten Fraktionen der Grünen, der Wir gemeinsam mit der SPD eine Reihe von Punkten entwickelt, um die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung in den Gemeindegremien zu verbessern. Sie konnten sich diesbezüglich aber in keinem Punkt durchsetzen. Die Vorschläge wurden einzeln abgestimmt und von den Mehrheiten aus BBS, FDP, CDU meist unterstützt von beiden Einzelstimmen der Linken und Unser Ferch abgelehnt. Zu Einzelheiten siehe das Sitzungsprotokoll.

Es wurden folgende Vorschläge mehrheitlich abgelehnt,

  • die Absenkung des im § 3 der Hauptsatzung enthaltene Quorum für den Antrag von Einwohnerversammlungen von 5% auf 2% zu senken. Bisher wurde seit Gründung der Gemeinde kein Antrag auf Einwohnerversammlung gestellt. Aus Sicht der Verwaltung hat sich die 5%-Regelung bewährt.
  • im § 4 der Geschäftsordnung das Rederecht der Vorsitzenden des Seniorenbeirats in den Gemeindegremien festzuschreiben. In der Praxis wurde das Rederecht zwar meist so gehandhabt, ist bisher aber nicht festgeschrieben.
  • im § 4 der Geschäftsordnung eine zusätzliche Einwohnerfragestunde zuzulassen, die am Ende nach Abschluss der Sachpunkten stattfindet. Oft führt ja die erlebte Behandlung eines Tagesordnungspunktes durch die Gemeindevertreter zu Nachfragen aus der Bürgerschaft. Und genau das ist in der bisherigen Geschäftsordnung nicht vorgesehen.

Die Evidenz des letzten Vorschlags wurde spannenderweise umgehend demonstriert. Es zählt nämlich zu den Besonderheiten der konstituierenden GV-Sitzung, dass die Einwohnerfragestunde ausnahmsweise erst am Ende der Sitzung stattfindet, also nachdem die Sachpunkt der Tagesordnung abgeschlossen sind.

Dies nahmen einige Bürger zum Anlass, zu den gerade gehörten Einschränkungen der Bürgerbeteiligung Stellung zu nehmen. So meldete sich Herr Müller, aktiver Bürger aus Geltow zu Wort und kommentierte die Einschränkung:

 „Wir fühlen uns damit etwas geknebelt! Es geht uns darum, dass alle Bürger hören können, was andere Bürger bewegt. So kann der eine Ortsteil auch etwas über den anderen lernen. Wir wollen nicht nur den direkten Kontakt mit der Verwaltung, sondern wir wollen in der Einwohnerfragestunde die Öffentlichkeit informieren! Um ein bekanntes Beispiel zu nennen: Was Richter Recycling in Geltow gemacht hat, ist ein Riesenschweinerei, und darüber wollen wir öffentlich in den Gremien sprechen!“

Man wird sehen, wie oft das nach der neuen Regelung praktisch noch stattfindet. Es ist wirklich schade, dass die Mehrheit der Gemeindevertreter gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode auf die Unzufriedenheit in der Bürgerschaft, die sich unter anderem an einer Kommunalwahlbeteiligung von sagenhaften 72,8% ablesen lässt, mit Einschränkungen in Sachen Bürgerbeteiligung reagieren.

Aber mit seinem Beitrag hat Herr Müller die Auswirkungen der auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär wirkenden Neuregelung auf den Punkt gebracht. Danke dafür!

A. v. Zadow, 9.7.2024

In dem Termin, von dem hier berichtet wird, wurden natürlich noch viele andere Dinge diskutiert und beschlossen. Siehe dazu die offizielle Niederschrift der konstituierenden Gemeindevertretersitzung.

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