Auftaktveranstaltung im Blütenviertel zur kommunalen Wärmeplanung – ein Bericht

Treffpunkt Eisspeicher Blütenviertel Caputh. Wer hätte gewusst, dass es so etwas in Schwielowsee überhaupt gibt? Dorthin hatte Dr. Ernst Huenges in Absprache mit Bürgermeisterin Kerstin Hoppe und dem Geltower Ortsvorsteher Matthias Fannrich eingeladen. Im kleinen Kreis wird schon seit vielen Monaten überlegt, welche Optionen Schwielowsee in Sachen kommunale Wärmeplanung überhaupt zur Verfügung stehen. Ein Vorbereitungsteam rund um die Klimainitiative hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung über Referenten zu diesen Fragen Gedanken gemacht.

Schnell war klar, ein solch immens wichtiges aber auch komplexes Zukunftsthema sollte nicht im Wahlkampf zerredet werden. Vielmehr braucht es, um innovative Lösungskonzepte zu entwickeln und vor allem später realisieren zu können, einen möglichst breiten Schulterschluss aller Parteien und vieler lokaler Akteure.

Der Veranstaltungstermin lag am 25. Juni 2024, also kurz nach der Kommunalwahl. Gekommen war alles was Rang und Namen hatte, quer durch alle Parteien und Fachrichtungen. Auch viele Bürgerinnen und Bürger waren da, um sich zu informieren, was es mit dem Wortungetüm „Kommunale Wärmeplanung“ auf sich hat und wie sie das persönlich möglicherweise eines Tages betreffen könnte.

Ein Clou war schon mal der Ort des Geschehens. Es sollte nicht nur Theorie sondern auch etwas Praktisches sichtbar werden. Das konnte kaum besser gelingen als im Caputher Blütenviertel, der in Entstehung befindlichen neuen Caputher Mitte. Dort realisiert die Firma Flower Power Energy eine innovative Energie-Versorgung für das neue Quartier. Mit einem ausgeklügelten Energienetz werden dabei die Bedarfe an Wärme, Kälte und Strom durch vorrangige Nutzung von erneuerbarer Energie gedeckt. Zentraler Aspekt ist dabei ein Maschinenpark an gewaltigen Wärmepumpen und eben die Speicherung von Überschüssen während der warmen Jahreszeit in einem riesigen Eisspeicher. In Gruppen konnte unter der fachkundigen Leitung von Eberhardt Holstein, Geschäftsführer der Flower Power Energy, das neu errichtete Quartierskraftwerk im Keller des Hauses Kirschanger 4 besichtigt werden.

Eberhardt Holstein von Flower Power Energy erklärt die Funktionsweise der Energiezentrale für das neue Blütenviertel

Der Eisspeicher selbst ist neben dem Haus im Gelände versenkt. Dessen Funktionsweise wurde anhand von Bildern erläutert. Aufgrund seines Volumens von 650 Kubikmetern war dies zumindest für Brandenburg ein Pilotprojekt, erläuterte Hans Wolfgang Pausch, geschäftsführender Gesellschafter des CMB Entwicklungs GmbH (Caputh Mitte Blütenviertel). Die Genehmigungsbehörden hätten bei Vorlage seines Bauantrags die Hände gehoben, so etwas hätten sie noch nie auf dem Tisch gehabt. Dafür bräuchte man zunächst wissenschaftliche Gutachten. Eisspeicher wären natürlich schon mal genehmigt worden, aber niemals in einer solchen Größenordnung.

„Das ist der Fluch solcher Innovationsprojekte“, so Pausch, „Politik und Fachwelt wollen solche Dinge realisiert sehen, wir haben den Mut es zu tun, bekommen dafür aus dem Bundeshaushalt sogar Fördermittel in Millionenhöhe, aber dann stößt Pioniergeist auf Umsetzungshürden aller Art“. Die Baugenehmigung des Eisspeichers habe das ganze Blütenviertelprojekt um Jahre zurückgeworden. Schließlich musste dieser zentrale Baustein für das Energiekonzept als allererstes unter die Erde. Erst danach konnten die Gebäude folgen.

An solchen Zeitverzögerungen sind andere Siedlungsprojekte schon in Konkurs gegangen. Für die Caputher Mitte mit ca. 180 Wohnungen und Gewerbeeinheiten auf 64.000 qm Fläche hätte es schlimm enden können. Das beachtliche Durchhaltevermögen der Blütenviertelinvestoren wurde von Bürgerseite denn auch positiv kommentiert. „Man hört ja viel Negatives über das Blütenviertel“ hieß es in einer Wortmeldung, „wirklich gut, dass wir heute die Gelegenheit haben, das Projekt genauer anzusehen und die Hintergründe besser verstehen zu können. Wenn eines Tages einmal alles umgesetzt sei, könnte es sich zu einem Vorzeigeprojekt für innerstädtischen Siedlungsbau entwickeln.“ Anhaltender Applaus.

Mit diesen praktischen Herausforderungen bildete das Blütenviertel einen guten Hintergrund für die Fachbeiträge, die nun folgten. Selten war in Schwielowsee ein Raum so gefüllt mit geballter Fachkompetenz zum Thema „Leitungsgebundene Wärmebereitstellung“.

Eckard Veil, Geschäftsführer der EWP berichtet über umfassenden Pläne Potsdams, die dort in vielen Fällen bereits vorhandenen Wärmeversorgungsleitungen zu erneuern und mit neuen Wärmequellen zu betreiben. Das bisher zentrale mit Gas betriebene Kraftwerk Potsdam-Süd soll perspektivisch völlig ersetzt werden. Der wichtigste Baustein für die Energie der Zukunft Potsdams ist die Tiefengeothermie. Bohrungen hätten viel größere Ressourcen ergeben, als zunächst von der Wissenschaft erwartet wurden. Versuche würde auch mit Flussthermie gemacht, die aber vor allem aufgrund naturschutzrechtlicher Nutzungseinschränkungen höchsten 15 % zur Deckung des Wärmebedarfs betragen kann. Insgesamt benötigt die EWP zum Umbau der Wärmeversorgung Milliardenbeträge. „Das ist“, so Veil „eigentlich kein Problem, weil sich die Investitionen am Ende immer rechnen. Das Problem ist vor allem, Sicherheiten für das Eigenkapital zu beschaffen, also eine Bürgschaft für die geldgebenden Banken und Investoren sicher zu stellen. Das kann letzten Ende nur über politische Entscheidungen gehen.“ Sobald diese Voraussetzungen da sind, können die Investitionsmittel fließen.     

Dr. Andre Deinhardt, Geschäftsführer der Geothermie Neubrandenburg GTN stellte die praktische Seite der geothermischen Untersuchungen und Nutzungen dar. Vieles ist machbar, erfolgreiche Beispiele sind seit Jahrzehnten im Betrieb. Der Investitionsbedarf ist zu Beginn erheblich, eine Amortisation über zu erwartende lange Nutzungsdauern von 20 und mehr Jahren immer darstellbar. Ganz besonders im Vergleich zu den in nächsten Jahren stark ansteigenden Kosten für fossile Energieträger. Wenn eine Nutzung der Geothermie für Teilbereiche der Gemeinde Schwielowsee in Betracht gezogen würde, dann ist die Empfehlung, entsprechende Untersuchungen möglichst kurzfristig einzuleiten. Die fachlichen Kapazitäten auf diesem Sektor seien begrenzt. Weil jetzt alle Gemeinden beginnen werden, dies in Betracht zu ziehe, werden in Kürze die Wartezeiten für geothermische Gutachten mehrere Jahre betragen

Marc Mecke vom Berliner Büro Conenergy berichtet aus seiner Praxis mit der Wärmeplanung im Nachbarort Michendorf. Dort ist man schon bei der Erstellung möglicher Szenarien. Vor allem die Einbindung der Akteure sei herausfordernd. Mit Hilfe von Workshops haben man verschiedene Bedarfe ermittelt und mögliche Maßnahmen entwickelt. Die Gemeindezeitung und weitere Informationskanäle werden zur Öffentlichkeitskommunikation verwendet. Auf Grund der dezentral gelegenen Ortsteile Michendorfs werden dort ganz ähnlich wie in Schwielowsee vermutlich verschiedene Insellösungen in Betracht kommen.

Enrico Possin von der Potsdamer NOTUS energy Plan berichtete über erste Überlegungen, wie der in ihrem Besitz befindliche Windpark Dachsberg erzeugte Strom möglicherweise auch direkt vor Ort in Schwielowsee genutzt werden könnte. Es gäbe zum Beispiel Verfahren, in denen bei Netzüberlastungen, statt einer Abschaltung von Windrädern die Nutzung des überschüssigen Stroms, den das Netz in diesen Zeiten nicht abnehmen kann, zur lokalen Speicherung und Wärmeerzeugung nutzen. So etwas wäre vielleicht auch für Schwielowsee etwas in der Nähe des Einspeisepunktes am Steineberg in Caputh denkbar. Gerechnet wurde das bisher noch nicht, könnte aber als Thema für eine künftige Wärmeversorgung weiterentwickelt werden.

Die anschließende Diskussion machte dann einige Besonderheiten Schwielowsees deutlich, die eine kommunale Wärmeplanung wird berücksichtigen müssen.

Was Schwielowsee z.B. nicht hat:

  • Dezentrale Ortsteilstrukturen mit großen Entfernungen
  • Keine Wärmenetze vorhanden
  • Keine Industrieunternehmen
  • Keine Abwärme-Quellen 
  • Keine Klärwerke
  • Keinen Klimamanager, keinen Klimabeirat
  • Keine großen Ankerabnehmer
  • Kein kommunale Wohnungsunternehmen
  • Keine Investitionsmittel im Haushalt, temporäre Sperre für Investitionskredite vonseiten der Kreisaufsicht
  • Schlechte Erfahrung bei früheren Eigeninvestitionen der Gemeinde

Andererseits bietet Schwielowsee Potentiale, wie z.B.:

  • Viele engagierte Leute, vorhandene Denkergruppen
  • Wissenschaftliche und Ingenieursmäßige Kompetenz vorhanden
  • Nachbarschaft zur EWP Potsdam, die als Partner zur Wärmeversorgung evtl. in Betracht kommen könnte
  • Blütenviertel als Pionier Quartier mit innovativer Wärmeversorgung evtl. erweiterbar auf umliegende Bereiche
  • Windpark Dachsberg
  • Teilweise Generationswechsel in der neu gewählten Gemeindevertretung
  • Zukunftsstrategien im Rahmen des INSEK-Verfahrens

Bürgermeisterin Kerstin Hoppe konnte bekanntgeben, dass die Gemeinde Schwielowsee erfolgreich Fördermittel zu Durchführung der Kommunalen Wärmeplanung akquirieren konnte und die vergangenen Wochen bereits zur Ausschreibung und Vergabe des Planungsprozesses an das Büro Back2B aus Wolfen genutzt hat. Die beiden Fachplaner Patrick Βulka und Sebastian Βujak waren bereits anwesend.

In der Startphase werden vor allem Basisdaten über die gegenwärtige Wärmeversorgung gesammelt, aus denen dann ein rechnerischer „digitaler Zwilling“ der Gemeinde erstellt wird. Mit diesem können zukünftige Szenarien dargestellt und getestet werden. Es sind während der Planungsphase eine Fülle lokaler Akteure und die Öffentlichkeit zu beteiligen. Letztlich will sich die Gemeinde mit Hilfe dieser Unterlagen auf ein Vorzugszenario einigen. Das soll bereits Anfang des Jahres 2025 diskutiert werden können.

Aufgrund des Wärmeplanungsgesetzes sind Gemeinden wie Schwielowsee dazu verpflichtet, bis spätesten 2028 eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen und damit zur Dekarbonisierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung beizutragen.

Der Startschuss ist also gefallen. Man wird sehen, wie die Einzelheiten des Verfahrens in den kommenden Monaten gehandelt werden. Einen besseren Einstieg zu den Inhalten der kommunalen Wärmeplanung hätte man sich nicht wünschen können.   

A. v. Zadow 20.7.2024

Weiterführende Links zur kommunalen Wärmewende:

Vorträge der Veranstaltung zum Download bei der Klimainitiative

Wärmeplanungsgesetz (WPG)

Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Brandenburgische Wärmeplanungsverordnung (BbgWPV)

Leitfaden Wärmeplanung mit Empfehlungen zur methodischen Vorgehensweise, erstellt im Auftrag des BMWK und des BMWSB

Energieagentur Brandenburg

Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende

Beratungsstelle Klimagerechte Kommune

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